Die letzte hier aufgeführte Kategorie von Behandlungsfehlern beinhaltet diejenigen, die dem Arzt im Bereich der sogenannten voll beherrschbaren Risiken unterlaufen können. Bei diesen handelt es sich eigentlich um den Überbegriff für eine ganze Reihe einzelner Fallgruppen, die in der folgenden Übersicht kurz dargestellt werden.
1. Was sind überhaupt voll beherrschbare Risiken?
Für den Arzt bzw. den Krankenhausträger voll beherrschbar sind Risiken dann, wenn sie nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern aus einem Bereich stammen, dessen Gefahren von der Seite des Arztes bzw. des Krankenhausträgers voll beherrscht und ausgeschlossen werden können und müssen. Hieraus folgt, dass der Patient in diesen Fällen gerade nicht die Möglichkeit hat, auf die Verwirklichung des Risikos Einfluss zu nehmen. Voll beherrschbare Risiken werden vielmehr durch den Praxis- bzw. Krankenhausbetrieb gesetzt und sind auch nur durch den Arzt oder den Krankenhausträger und sein Personal beeinflussbar.
2. Wie lässt sich der Bereich voll beherrschbarer Risiken abgrenzen?
Der Ausschluss und die Beherrschung der Risiken ist dem Arzt nur dann möglich, wenn er tatsächlich auch Einfluss auf eine eventuelle Risikoverwirklichung hat. Sobald der Patient selbst oder Dritte (zusätzlich) die Möglichkeit der Einwirkung haben, stammt das Risiko nicht mehr nur aus dem Verantwortungsbereich des Arztes, kann also von ihm nicht mehr voll beherrscht und ausgeschlossen werden, da er auf das Verhalten des Patienten oder Dritter keinen direkten Einfluss hat.
Für die Festlegung des voll beherrschbaren Risikobereichs ist eine Abgrenzung des Verantwortungsbereichs des Arztes bzw. des Krankenhausträgers von demjenigen des Patienten oder Dritter vorzunehmen.
Als nächstes ist das Risiko, das sich im konkreten Fall verwirklicht hat, einem dieser Bereiche zuzuordnen. Entstammt es ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Arztes, so hat er dadurch, dass er die Risikoverwirklichung nicht verhindert hat, einen Behandlungsfehler aus der Kategorie der voll beherrschbaren Risiken begangen.
3. Fallgruppen
Folgende Fallgruppen von Behandlungsfehlern lassen sich ausschließlich dem ärztlichen Verantwortungsbereich bzw. dem Verantwortungsbereich des Krankenhausträgers zuordnen:
- Mangelnde technische Beherrschung medizinischer Geräte
- fehlerhafte
Lagerung bei Operation
- Verstöße
gegen Sorgfalts- und Obhutspflichten bei pflegerischen Maßnahmen (Sturz des
Patienten)
- Verstöße
gegen Hygienevorschriften (Infektionen)
- Mangelhafte
Organisation der medizinischen Behandlung
4. Folgen des Vorliegens eines voll beherrschbaren Bereichs
Steht fest oder wurde vom Patienten bewiesen, dass eine Schädigung aus dem Gefahrenbereich des Arztes oder des Krankenhausträgers stammt, es sich also ein voll beherrschbares Risiko verwirklicht hat, so führt dies zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten.